5 Erst verstehen, dann verstanden werden

Vor Kurzem habe ich das das Buch „Die 7. Wege zur Effektivität“ von Stephen R. Covey zum zweiten Mal gelesen. Die Klarheit und Logik dieses Buches faszinieren mich. Es handelt davon mithilfe von 7.Wegen sein Leben effektiv, also sinnvoll und lohnenswert, zu gestalten. In dieser Reihe beschreibe ich mit Beispielen, wie ich versuche jeden diese 7. Wege in meinem Leben anzuwenden.

Ich habe die Antwort

Der 5. Weg ist der Schlüssel zu echter Kommunikation. Wir hören oft nicht richtig zu, hier direkt ein Beispiel aus dem Buch „Die 7. Wege zu Effektivität für Jugendlich von Sean Covey“:

Hallo, Melissa. Du wirkst irgendwie bedrückt. Was ist denn los?« »Ach, das verstehst du nicht, Lilly. Du hältst mich bestimmt für verrückt.«
»Nein, bestimmt nicht. Erzähl mir, was ist los? Ich bin ganz Ohr!« »Also gut. Weißt du … mit Tim und mir ist das irgendwie nicht so wie früher.«
»Ich hab dir ja gesagt, du solltest die Finger von ihm lassen. Ich wusste, dass das passieren wird.«
»Tim ist nicht das Problem.«
»Hör zu, Melissa. Ich an deiner Stelle würde ihn vergessen und mir jemand anderen suchen.«

»Aber Lilly, das ist doch gar nicht das, was ich dir sagen wollte.«
»Glaub mir, ich weiß genau, wie du dich fühlst. Ich habe letztes Jahr mit Leo dasselbe durchgemacht.«
»Ach, vergiss es, Lilly.«
»Melissa, ich will dir doch nur helfen. Ich will dich wirklich verstehen. Also erzähl weiter. Was wolltest du mir sagen?«

ZACK, hier hast du deine Antwort! Wozu denn richtig zuhören, wenn ich die Antwort schon habe. (Foto aus Die 7 Wege zur Effektivität für Jugendliche von Sean Covey)

Wir sind viel zu schnell mit einer Antwort zur Stelle und hören dem anderen gar nicht richtig zu. Dabei wollen wir helfen, aber sobald wir den Anfang der Geschichte des anderen gehört haben, kommen wir mit der Antwort um die Ecke.

Jeder will verstanden werden

Wir wollen alle verstanden und geschätzt werden. Wir sind einzigartige Individuen mit eigenen Problemen und Gefühlen. Wenn wir diese preisgeben, dann wollen wir, dass man sich individuell um uns kümmert.

Ich hatte als Schüler einen Sportlehrer. Namen will ich hier keine nennen. Aktuell haben wir gerade Feldaufschwung gemacht und ich habe es einfach nicht hinbekommen. Ich war frustriert, Weill 2/3 der Klasse ihn schon konnten, aber ich es immer noch nicht hinbekommen habe. Ich ging zu unserem Sportlehrer und fragt ihn, was ich falsch machen würde und wie ich mich verbessern könnte. Er hat sich keinen meiner Versuche angeschaut, sondern spulte die gesamte Erklärung des Feldaufschwungs nochmal vorn vorne ab. Das hatte er vorher schon erklärt und half mir in dieser Situation gar nicht. Ich hätte gewünscht, dass ich es einmal vormachen kann und der Lehrer mir sagt an welcher Stelle ich einen Fehler mache und wie ich mich verbessern kann.

Zuhören lernt man nie.

Wenn man klein ist, lernt man sprechen. Danach lernt man aufwendig lesen und schreiben. Aber eine Ausbildung im Hören hat keiner von uns. Dabei kann man auch das Hören lernen. Wenn jemand etwas erzählt, hören wir nur selten zu. Wir sind meistens schon dabei, die Antwort zu formulieren, anstatt richtig zuzuhören. Oft tappen wir dabei in eine der fünf Zuhörfallen:

  • Abschalten und an etwas anderes denken
  • Ao tun, als ob man zuhört
  • Nur das hören, was man hören will
  • Ausschließlich auf die Worte hören
  • Alles aus der Ich-Perspektive hören

Selbst, wenn wir mal zuhören, Betrachen wir oft die Welt nur aus dem eigenen Blickwinkel. Wir sagen Dinge wie: „Ich weiß, wie du Dich fühlst. Ich habe das auch schon durchgemacht. In genau deiner Situation war ich auch schon!“ Wir wissen nicht, wie sich der andere fühlt. Wie auch, wir haben ihn ja nicht gefragt. Dabei wäre es das Leichteste auf der Welt. Wenn jemand von seinem Tag erzählt, könnten wir antworten: „Du hast also xy erlebt. Ich habe den Eindruck, das macht dich yz. Oder, wie geht es Dir damit?“

Häufig erzählen auch zwei Personen nebeneinander her. Der eine erzählt von seinem Beziehungsproblemen und der andere erwidert nur: „Oh Gott, das ist ja blöd. Bei mir war es ja ….“ Zwei Menschen erzählen sich ihre Probleme, aber niemanden hört dem anderen richtig zu. Man will nur seine eigenen Probleme loswerden oder vielleicht den anderen übertrumpfen, nach dem Motto: „Du denkst deine Beziehung ist schlecht, jetzt hör aber mal meine an.“

Zuhören kann man lernen

Beim Zuhören muss man nur ein paar Regeln befolgen, dann ist es gar nicht so schwer:

1. Hör nicht nur auf die Worte, sondern auch auf die Emotionen

Viele Problem werden nicht nur durch Worte, sondern auch durch Tonfall und Körpersprache, also sprich durch die Emotion transportiert. Leider kann man durch Messengerdienste, wie WhatsApp oder Instagram Emotionen nur sehr schlecht übermitteln. Die Emojis sind dafür leider nur ein schlechter Ersatz.

2. Versetz Dich in den anderen hinein

Man nennt diese Fähigkeit auch oft Empathie. Dabei meint man, dass man versucht, in die Rolle des anderen hineinzuschlüpfen und die Welt und deren Probleme versucht aus seiner Sicht zu sehen. Meine Frau kommt aus Peru. Dort sind viele Dinge anders als hier in Deutschland. Zum Beispiel lernt man dort kein Fahrradfahren. Sie hat es erst mit 30 Jahren gelernt, als sie nach Deutschland kam. Dementsprechend ist sie unsicherer als ich. Sie ist zwar mittlerweile sicherer, aber wenn sie mit dem Fahrrad im Autoverkehr fährt, hat sie immer noch Angst und fährt langsamer. Hier bringt es nix, wenn ich mit Sätzen komme, wie: „Stell Dich nicht so an. Fahr einfach schneller, die tun Dir schon nichts. Aber ich kenne dein Problem: Als kleines Kind hatte ich das Problem auch.“ Ich muss versuchen, sie zu verstehen und könnte sagen: „Du fühlst Dich also unsicher beim Fahren, wenn Autos dabei sind und hast Angst. Was können wir denn dagegen tun?“

3. Spiegele die Worte und Emotionen des anderen

Es ist ganz einfach.

Gib die Worte und die Emotionen des anderen mit anderen Worten wieder.

Höre nicht nur auf die Worte und plappere diese nach, sondern versuche zu Emotion des anderen dabei zu fühlen und gib diese Emotion und den Inhalt wieder. Verwende dabei nicht exakt dieselben Wörter wie dein Gesprächspartner, sondern sage es mit Deinen eigenen Worten.

Formulierungen, die Dir helfen

Das Ziel ist also, mit eigenen Worten zu wiederholen, was der andere sagt und fühlt. Dabei können Dir gerade am Anfang folgende Formulierungen helfen:

  • „Du hast also das Gefühl, dass…..“
  • „Wenn ich es richtig verstanden habe, gehst es Dir also ….., weil du … erlebt hast.“
  • „Du meinst also, dass ….“
  • „Dich verärgert also, dass ich …. mache.“
  • “ Du bist also wegen …. traurig.“

Der einfachste Weg

Dieser 5. Weg der 7. Wege ist der einfachste Weg, also der Weg den du am Einfachsten im Alltag anwenden kannst. Probier es doch gleich mal in deinem nächsten Gespräch aus. Höre genau so, was der andere erzählt. Höre ihm zu und verstehe ihn. Erst nachdem du ihn verstanden hast, kannst du mit deinen Vorschlägen, Ideen oder auch Probleme kommen. Denke daran:

Erst verstehen, dann verstanden werden